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Baugeschichte des Heinrichstift

 

1895 wurde die Stadt Luckenwalde Haupterbin der Fabrikbesitzer Wilhelm und Ferdinand Heinrich. In ihrem Testament setzten die Gebrüder Heinrich die Stadt als Haupterben ihres Vermögens ein, das mehr als 1 Million Mark betrug. Die Brüder verstarben 1892 und 1896. In ihrem Testament bestimmten sie weiterhin, dass nach Abzug einiger Legate in der Lindenstraße ein Hospital für invalide Fabrikarbeiter zu errichten sei. Neben Einzelheiten zum Gebäude enthielt das Testament auch genaue Angaben über dessen Personalausstattung und die zu erbringenden Wohlfahrtsleistungen.

Die Mittel wurden zugunsten der Errichtung des Hospitals für invalide Fabrikarbeiter eingesetzt. Planungen für das Gebäude sind in den Bauakten ab 1897 nachvollziehbar. Die 1898 vorgelegten Pläne entsprechen weitgehend der Ausführung. Den Entwurf lieferte Otto Techow aus Steglitz (Berlin), der auch statische Berechnungen und Bemerkungen zum Projekt erstellte. In den Akten wird es als Bürgerhospital bezeichnet. Die Ausführung lag bei den Maurermeistern Richard Bornkam und August Lehmann (Name in Bauakte nicht eindeutig zu lesen, beide arbeiteten aber auch sonst zusammen). Der im selben Jahr begonnene Bau konnte bereits 1899 fertiggestellt werden. Die Baugenehmigung wurde am 1. Juni 1898 erteilt.Das Gebäude wurde am 09.10.1898 eingeweiht – die Baukosten betrugen 295.000,– Goldmark. Erst Jahre später gab es in Luckenwalde ein Wasserwerk und fließendes Wasser in allen Häusern der Stadt. Im Hospital wurde das Wasser aus 29 m Tiefe mit einem Gasmotor in Dachspeicher gepumpt und von dort auf die Abnahmestellen verteilt. Das Hospital enthielt 14 Doppel- und 39 Einzel-Kleinwohnungen, einen Betsaal im rückwärtigen Quertrakt sowie im Kellergeschoss Krankenstation, Lagerräume und Speisesaal. Berechtigt für die Unterbringung im Heim waren zunächst Arbeiter und deren Witwen, die für wenigstens 10 Jahre zu Lebzeiten der Stifter in deren Fabrik gearbeitet hatten. Zur Verfügung standen ihnen: Freie Wohnung und Heizung, freies Kochgas, freies Holz für die Waschküchenbenutzung, freie Badezimmerbenutzung, kostenlose ärztliche Betreuung mit Medikamenten und unentgeldliche Gartenbenutzung.

Von Anfang an war eine Warmwasser-Zentralheizung vorhanden. Das Haus wurde durch Gaslampen erleuchtet.

Durch die Inflation ging der größte Teil des Stiftungsvermögens verloren. Zunächst wurde der Betrieb durch öffentliche Mittel bezuschusst, später dann gänzlich übernommen. 1930 bekam die Stadt Luckenwalde das Recht die Belegung selbst zu bestimmen. Am 01.07.1952 wurde das Gebrüder Heinrich Hospital das „Feierabendheim“ der Stadt.

Die Herstellung des Gebäudes kostete ca. 295.00 Goldmark. Nch heuttiger Rechnung sind das ca. 2.100.000 €.

Nicht mehr erhalten ist ein kleines Nebengebäude nordwestlich des Hauptbaues mit Geräteschuppen (1916 durch Schweinestall erweitert). Im Zuge der Errichtung des Gebäudes entstanden straßenseitig einen gärtnerisch aufgeschmückter Vorplatz vor dem Stiftsgebäude und nördlich einem rasterförmig mit Linden bestandener Freiraum.

Nach 1945 wurde das Heinrich-Stift als Alten- und Pflegeheim weitergenutzt.

Die einzige größere bauliche Veränderung erfolgte 1960–61 mit dem Umbau des Betsaals im rückwärtigen Mitteltrakt zu Heimräumen des Feierabendheims. Dazu wurden im Bereich des alten Ober- und Dachgeschosses drei niedrige neue Etagen eingefügt. Die Pläne hatte 1959 der in Luckenwalde bekannte Architekt Walter Kurras gefertigt; die Ausführung lag beim VEB Bau Luckenwalde. 1975 wurden Frischwasser- und Heizungsinstallation erneuert, 1976 Beleuchtung und Elektroinstallation. 1984 erfolgte der Einbau eines Speiseaufzugs.

Während der 1960er bis 1980er Jahre kam es auf den Freiflachen, insbesondere im Bereich des Vorplatzes und in den östlichen Partien, zu gestalterischen Veränderungen bezüglich der Form der Wegebefestigung und der Bepflanzung. Nach 1990 wurden die Sanitäranlagen modernisiert. Um 2000/2001 endete die Nutzung als Alten- und Pflegeheim.

 

 

Wilhelm und Ferdinand Heinrich
Wilhelm und Ferdinand Heinrich
Architekt Baurat Otto Techow
Architekt Baurat Otto Techow


Haupteingang um 1904 

Ehemaliger Schweinestall 1916
Ehemaliger Schweinestall 1916
50 jähriges Jubiläum 1949
50 jähriges Jubiläum 1949
Ursprüngliches Fenster vom Betsaal
Ursprüngliches Fenster vom Betsaal

Grabstätte der Familie Heinrich



Im Frühjahr 2016 wurde beim Bau des Fahrstuhlschachtes Reste von der Wandgestaltung des ehemaligen Gebetssaals freigelegt. Beim Umbau 1960 wurde in den Gebetssaal mehrere Zwischendecken eingezogen und zu Behandlungsräumen umgebaut. In diese ehemaligen Behandlungsräume sind zu Wohnungen umgebaut.

Baurat Otto Techow und Luckenwalde

Am 20. Dezember 1900 wurde der Fläming-Express, eine Kleinbahn die Luckenwalde, Jüterbog und Dahme verband, in Betrieb genommen. Nach 65 Jahren wurde der Betrieb dieser Kleinbahn endgültig eingestellt und existiert heute nicht mehr. Otto Techow soll maßgeblich an dem Bau der Kleinbahn beteiligt gewesen sein. Wahrscheinlich hat deshalb die Lok Nummer 8, mit der Fabrikationsnummer 16424 ,der Maschinenfabrik Henschel, den Namen "Techow" erhalten. 

Techow starb 1919 bei einem Autounfall.

Mehr über Otto Techow bei Wikipedia

Auszug aus dem Heft  Archivbilder aus Luckenwalde von Roman Schmidt. Erschienen im Sutton Verlag Erfurt.
Auszug aus dem Heft Archivbilder aus Luckenwalde von Roman Schmidt. Erschienen im Sutton Verlag Erfurt.

Sozialer Nutzungsaspekt

 

Das Heim steht in der Tradition von Sozialeinrichtungen, die von Privatpersonen errichtet und betrieben wurden, wie wir sie z. B. von den Kruppsiedlungen her kennen.

Das Alten- und Pflegeheim „Gebrüder Heinrich“ stellt mit seinem schlossartigen Gebäudetyp ein frühes Beispiel für die Einrichtung einer kollektiven Wohnform dar. Nach Dolores Hayden werden kollektive Wohnformen nach dem „Grad der Kollektivierung des häuslichen Arbeitsplatzes“ unterschieden. Danach ergeben sich 3 Gruppen:

 

  • die Kommune,
  • die Produktionsgenossenschaft und
  • die kooperative Haushaltsführung.

Als Beispiel für eine Kommune sei hier das Projekt der „Hall of Feast“ genannt. Für die Produktionsgenossenschaft mit eigenständigen Familien, die Familistère (siehe auch Abbildung) von Godin. Für die kooperative Haushaltsführung, die „Homesgarth“ (siehe auch

Abbildung) in der Gartenstadt Letchworth. Die unterschiedlichen Bautypen lassen sich am Zusammenschluss der einzelnen Wohneinheiten an einem gemeinsamen Raum differenzieren. Bei dem vorliegenden Beispiel geschieht die Integration an dem Flur, der sich in Ausbildung, Dimensionierung und Größe als vorbildlich erweist.

Der Entwurf der Gebrüder Heinrich stellt ein in Ausbildung und Dimension hervorragendes Beispiel für eine kollektive Wohnform dar, die einem Zusammenleben von 60–100 Personen unter einem Dach ermöglicht.

 

Familstére in Frankreich
Familstére in Frankreich
Letchworth Garden City von 1898
Letchworth Garden City von 1898
Prinzip von Hall of Feast
Prinzip von Hall of Feast
Famistére in Frankreich
Famistére in Frankreich

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